Champagner aus Teetassen: Meine letzten Tage in Russland (German Edition) by Teffy

Champagner aus Teetassen: Meine letzten Tage in Russland (German Edition) by Teffy

Autor:Teffy [Teffy]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2014-12-09T05:00:00+00:00


15

Rasch, wie erschrocken, eilten die Tage dahin.

Wie viele waren es? Nur einige – drei, vier? Vielleicht sechs? Ich weiß es nicht mehr.

Eines Morgens jedenfalls erwachte ich von Poltern, Stimmen und Türenschlagen.

Ich stand auf.

Ein merkwürdiges Bild: Truhen, Koffer, Kartons und Bündel werden durch den Flur geschleppt. Hin- und Herlaufen, Hektik. Die Türen stehen sperrangelweit offen. Auf dem Fußboden überall zusammengeknülltes Papier, Schnüre.

Müssen wir etwa alle raus? Nun, man wird sehen.

Im Foyer stapelt sich Gepäck. Die Leute flüstern besorgt miteinander, stecken einander Geld zu, reden von Genehmigungen. Das alles in großer Aufregung. Rote Gesichter, hervorquellende Augen, Arme in die Hüften gestemmt, Hüte in den Nacken geschoben.

Wahrscheinlich ziehen die »Stäbe« bald ein. Hoffentlich muss ich nicht raus.

Vorsichtshalber kehrte ich zurück in mein Zimmer, nahm meine Kleider aus dem Schrank und meine Wäsche aus der Kommode. Packte alles in die Truhe und ging in die Redaktion.

Dort würde man bestimmt Bescheid wissen.

Auf der Straße bot sich ein vollkommen überraschendes Bild: Dunkelhäutige liefen die Straße entlang und trieben Esel vor sich her. Doch diesmal wandten die Esel den Kopf dem Hafen zu, der Stadt aber den Schwanz. Die Schwarzen hatten es eilig, hieben mit Knüppeln auf die Esel ein, und die Esel fielen in Trab.

Was mochte das bedeuten?

Aus einer Wäscherei kam ein französischer Soldat mit einem Packen nasser Wäsche gelaufen. Gefolgt von zwei zornigen Waschfrauen.

»Die machen, was sie wollen! Halt! Vielleicht hast du ja was Fremdes mitgenommen …«

Durch die offene Tür quoll Dampf aus der Wäscherei, und ich sah, wie französische Soldaten den Waschfrauen Wäschestücke entrissen. Geschrei, Gezeter. Auch ein Herr mit Melone kramte dort herum.

Was mochte das bedeuten? Wurden die Waschfrauen erobert?

Die Odessaer Waschfrauen sind tatsächlich eine Geißel Gottes. Wie sie uns behandelten! Eine von ihnen hatte mir einmal ein halbes Dutzend Taschentücher nicht zurückgegeben.

»Aber ich entschädige Sie doch dafür«, sagte sie würdevoll.

»Wie denn?«

»Na, ich nehme von Ihnen kein Geld fürs Waschen der Taschentücher, die ich Ihnen nicht zurückgegeben habe!«

Auch vor einer anderen Wäscherei gab es ein Handgemenge.

»Madame Teffy!«

Ich drehte mich um.

Eine mir kaum bekannte Person. Vermutlich ein Journalist. Keuchend kam er angelaufen.

»Haben Sie das gesehen? Alle sind in Panik! Und Sie gehen hier seelenruhig spazieren! Haben Sie denn schon gepackt für die Abreise?«

»Abreise? Wohin?«

»Wohin? Nach Konstantinopel.«

Warum wollten mich alle nach Konstantinopel schicken?

Aber er lief schon weiter, die Arme schwenkend und sich immer wieder die Stirn abwischend.

»Was ist los?«

Noch am Tag zuvor hatten mich Freunde und Bekannte besucht. Niemand hatte von Konstantinopel gesprochen. Wurden wir etwa evakuiert? Aber geschah das denn so plötzlich, Hals über Kopf?

In der Redaktion herrschte völlige Verwirrung.

»Was ist los?«

»Sie fragen, was los ist? Die französischen Truppen haben die Stadt aufgegeben, das ist los. Wir müssen weg!«

Deshalb also Konstantinopel!

Wir bewegten uns immer weiter nach Süden, die Karte hinunter. Anfangs hatten wir gedacht, wir würden eine Weile in Kiew bleiben und dann heimkehren. Ich hatte meine Schriftstellerbrüder noch geneckt: »Na! Hat die Zunge uns bis Kiew gebracht?8«

Wir waren abwärtsgetrieben und schließlich am Meer angelangt, jetzt mussten wir also übers Wasser. Aber wohin?

Ich hörte von verschiedenen Plänen.

Die Zeitung Nasche slowo wolle einen großen Schoner



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.